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Selbstorganisation – Wer braucht das eigentlich?

| Andreas Kellner

Selbstorganisation – Wer braucht das eigentlich?

Lesezeit ca. 4:30 min

Wer braucht (überhaupt) Selbstorganisation? Diese Frage kann man polemisch stellen (schuldig, aber lange her!), rhetorisch, oder ganz im Ernst. Fragen zur Selbstorganisation ernst zu nehmen, heißt vor allem, die im Licht der Praxis zu stellen, also konkret zu werden.

Konkreter gefasst könnte unsere Frage zum Beispiel lauten: Wer braucht eine gute Selbstorganisation vielleicht besonders dringend? Damit sind wir bereits direkt an der wichtigsten und vielleicht sogar einzig entscheidenden Dimension von Selbstorganisation (oder von mir aus auch “Zeitmanagement”): Was ich an Selbstorganisation brauche, hängt von mir ab; von meinem Alltag mit seinen beruflichen und privaten Herausforderungen.

 

Gibt es “Selbstorganisation für alle”?

Wir werden uns sicher schnell darüber einig werden, dass die Herausforderungen, die uns dazu bringen, uns selbst besser organisieren zu wollen, höchst individuell sind. (Ein Glück, denn wäre das anders, wären wir Teil einer Armee von Klonen.) Aber bedeutet diese Individualität nicht ein massives Problem für jedes Konzept im Bereich Selbstorganisation, Zeitmanagement oder Produktivität, das versucht, für mehr als eine Person gültig zu sein? Sind solche Ansätze, Konzepte oder Programme dann nicht von vornherein mindestens massiv kompromissbehaftet?

Anders gefragt: Geht Selbstorganisation nur mit “Personal Trainer” und sind nicht daher alle Bücher, Seminare und Vorträge zum Thema in der Praxis ohne Bedeutung? Die Antwort ist ein klares Jein.

 

Die letzten 5% Effizienz?

Sie müsste ja lauten, wenn es darum geht, die Selbstorganisation einer Person bis ins kleinste Alltags-Detail hinein zu optimieren. Zumindest für die letzten 5-10% Effizienz braucht es maßgeschneiderte Lösungen und die werden für die Chefin, die ihre Zeit zu 80% in Meetings verbringt, anders aussehen, als für den Friseurmeister, der Tags über Haare schneidet und Abends die Buchhaltung macht und wieder anders für seine Angestellte, alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern, die in Teilzeit im Salon arbeitet.

“Die letzten 5-10% Effizienz bei der Selbstorganisation” klingt natürlich sexy – wer will da nicht hin?

Aber in der Realität der Allermeisten von uns geht es doch eher um ein gutes Fundament, das effektiv ist – uns also tatsächlich hilft – und bei dem wir in puncto Effizienz vielleicht auf Paretos berühmte 80% zielen.

 

Ein Selbstorganisations-Fundament

Und hier, beim Fundament, sind die Herausforderungen für unsere 3 Beispiel-Personen dann gar nicht mehr so unterschiedlich: Ganz oben angefangen, müssen Chefin, Friseurmeister und Angestellte alle ihren Tag so weit in den Griff bekommen, dass sie den Ansprüchen, die ihr jeweiliges “Tagesgeschäft” an sie stellt, gerecht werden.

Weder kann die Chefin ihre Meetings ignorieren, noch der Friseurmeister seine Kunden und alle drei – und besonders die Angestellte – die Tatsache nicht, dass es neben der Arbeitswelt auch noch Privates und Familie gibt – Wenn die Kita zu macht, macht sie zu. Wenn der November kommt, jagt ein Schulfest die nächste Aufführung im Kindergarten.

 

Tag im Griff – Ziele erreichen

Es gibt Ausnahmen – dazu kommen wir gleich noch -, aber bei den meisten von uns hängt es von der Frage ab, ob wir unseren Alltag hinreichend im Griff haben und in der Lage sind, unseren Zielen näher zu kommen. Über den Hype von Zielen und den sinnvollen Kern dahinter habe ich an anderer Stelle versucht, Auskunft zu geben (Ziele erreichen – warum eigentlich?).

Fest steht für mich, dass – egal welche Ziele das sind – die Frage, ob wir unser Leben als sinnerfüllt empfinden – entscheidend davon abhängt, welche Rolle unsere Ziele in unserem Leben spielen. Noch einmal konkreter: “Sind die Rechnungen bezahlt?” oder “Ist der Arbeitsalltag mit dem Privaten halbwegs zuverlässig verbunden, so dass alles “läuft”?” kommen für die meisten von uns zuerst und erst auf diese Grundlage können wir daran gehen, Zeit und Energie in das zu stecken, was uns wirklich wichtig ist, welche Ziele das auch sein mögen.

 

Produktivitäts-Hindernisse

Gehen wir einen Schritt weiter: Wo liegen denn die Hindernisse, um den Tag im Griff zu haben und seine Ziele zu erreichen? Wir haben in den letzten Jahren dazu viele Menschen befragt, die in unsere Seminare kommen. Und es zeigt sich, dass sich praktisch alle diese Hindernisse in 4 Spannungsfeldern auftun:

  • Ziele vs. Tagesgeschäft
  • Aufgaben vs. Kommunikation
  • Prioritäten (“Alles sieht wichtig aus”)
  • Kontrolle über meinen Tag vs. Fremdbestimmung

In der Konsequenz versteige ich mich zur Behauptung, dass ein Fundament an Selbstorganisation, das diese Spannungsverhältnisse in effektiver und bis zu einem gewissen Grad effizienter Weise praktisch zu beherrschen hilft, beinahe Jede und Jeder braucht. Ob man das nun “Minimum an Selbstorganisation” nennt, wie ich das gern tue, oder “Personal Productivity Toolkit” (Paul Minors) oder anderswie, ist egal. Helfen muss es. Und natürlich sind auf innerhalb dieses Fundaments Anpassungen an die persönlichen Selbstorganisations-Bedürfnisse möglich und sinnvoll:

Ob ich lieber mit Stift und Papier, am Computer oder auf dem Handy meinen Tag plane, ist eine Frage, die man individuell entscheiden kann und sollte.

Die Grundlinien dieses Fundaments aber sind für eine überwältigende Mehrheit der Fälle gültig. Erst oberhalb davon beginnt ein Bereich, der so individuell ist, dass sich jeder Ratschlag mit der genauen Situation auseinandersetzen muss, wenn er helfen will.

 

If it’s not broken…

Die Antwort auf unsere Eingangsfrage “Selbstorganisation – Wer braucht das eigentlich?” würde ich also im Sinne eines Selbstorganisations-Fundaments, das uns erlaubt, unsere Tage hinreichend im Griff zu haben, damit wir unsere Ziele angehen und erreichen können, geben; sie lautet dann: Fast alle brauchen Selbstorganisation!

Und wer nicht? Nun, frei nach dem – höchst agilen – Grundsatz “If it’s not broken, don’t fix it.”: Warum sollte jemand, die/der mit seinem Leben rundum zufrieden ist, weil er oder sie sich etwa komplett oder in großem Maße den eigenen Zielen widmen kann, darüber nachdenken, etwas anders zu machen? Für den Rest von uns: keine Sorge, es wird 😉

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